18. September 2024

Offen sein für die Blockchain – Nils Saorski im Interview

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Vor rund einem Jahrzehnt hat die Automobilbranche stark auf die Blockchain-Technologie gesetzt, inzwischen erscheint Künstliche Intelligenz viel anfassbarer und greifbarer. Trotzdem sollten sich Unternehmen aus dem Automotive-Sektor heute mit praktischen Anwendungsfällen der Blockchain vertraut machen … Denn: Angesichts neuer gesetzlicher Anforderungen könnte die Notwendigkeit für die Blockchain wieder steigen – ein Gespräch mit dem Blockchain-Experten Nils Saorski, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer IML.

Digital Hub Logistics: Warum hat die Blockchain nach dem großen Hype Ende der 2010er-Jahre den Durchbruch noch nicht geschafft?

Nils Saorski: Die Blockchain ist ein überaus geeignetes Instrument, um Vertrauen beim Datenaustausch zu schaffen. Es gibt eine Vielzahl von verschiedenen Use-Cases und realen Anwendungen, in denen die Technologie ihre Vorteile ausspielen kann – oder besser gesagt: könnte. Denn noch stehen wir vor der Aufgabe, Netzwerke bzw. neutrale Instanzen ins Leben zu rufen, die Blockchains verwalten.

Die Blockchain, die ja – ähnlich wie KI heute – als Zukunftstechnologie gefeiert wurde, ist also doch mehr als ein Hype?

Auf jeden Fall. Die Blockchain ist auch nicht nur Bitcoin und sie ist nicht per se ein Energiefresser – auch das sind ja zwei gängige Vorurteile. Eine Blockchain ist in erster Linie ein dezentraler, verteilter, fälschungssicherer, kooperativ genutzter Datenspeicher. Sie ermöglicht den sicheren Datenaustausch zwischen Knoten von Peer-to-Peer-Netzwerken. Alle Mitglieder dieses Netzwerks besitzen eine Kopie der Blöcke. Diese sind im Nachhinein nicht mehr veränderbar. Transaktionen werden nachvollziehbar – chronologisch – angezeigt.

Warum brauchen wir die Blockchain?

Die Welt war noch nie so vernetzt wie heute, die Ansprüche an unsere Lieferketten sind zuletzt angesichts vieler globaler Krisensituationen, aufgrund gesetzlicher Regelungen wie dem EU-Lieferkettengesetz, das Unternehmen verpflichtet, den Schutz von Menschenrechten und Umwelt in ihrer Lieferkette aktiv zu verfolgen, oder mit Blick auf das Emissions-Reporting gestiegen: Lieferketten müssen danach sowohl resilienter als auch nachhaltiger werden. Allerdings sind viele Prozesse auch heute noch nicht digitalisiert, sondern laufen manuell bzw. papiergestützt ab. Das macht die Lieferketten langsamer. Weil die IT-Landschaften von Unternehmen heterogen sind, wird auch das Onboarding neuer Partner erschwert. Lieferketten werden so angreifbarer und brüchiger. Die Blockchain-Technologie kann Unternehmen hier helfen, besser, schneller und effizienter zu werden.

Welche konkreten Anwendungsfälle gibt es speziell in der Automotive-Branche?

In der Automotive-Branche gab und gibt es einige große Blockchain-Projekte der Fahrzeughersteller. Ein Paradebeispiel für den Nutzen der Blockchain ist die Rückverfolgbarkeit von Bauteilen, aber auch von einzelnen Materialien – wie künftig etwa bei Batterien für E-Fahrzeuge. Möglich sind auch blockchainbasierte Anwendungen rund um das Fahrzeug selbst: So können Autobesitzer:innen ihr Fahrzeug dank temporärer Zugangsberechtigungen auf Blockchain-Basis Dritten sicher zur Verfügung stellen.

Wann macht die Blockchain denn für kleine und mittlere Unternehmen Sinn?

Für Unternehmen, die seit Jahren die gleiche überschaubare Anzahl an Kunden haben und diese gut kennen, stellt die Blockchain sicher keine Notwendigkeit dar. Unternehmen, die in einem größeren, weitverzweigten Netzwerk arbeiten, können von der Blockchain-Technologie aber immens profitieren …

… und sollten jetzt gleich die Initiative ergreifen?

Kleine und mittlere Unternehmen könnten durchaus darauf warten, dass größere auf sie zukommen. Ich sage aber bewusst „könnten“. Denn es gibt jede Menge gute Beispiele dafür, dass auch sie sich – oft noch im Rahmen von Pilotprojekten – intensiv mit den Potenzialen der Blockchain auseinandersetzen, weil sie mehr Transparenz in ihrer Lieferkette schaffen oder eine bessere Rückverfolgbarkeit von Produkten gewährleisten wollen. Deshalb sollte jedes Unternehmen offenbleiben für das Thema. Der Besuch eines Blockchain-Seminars oder -Webinars im Rahmen des ATLAS-Projekts ist schon mal ein guter Anfang. Zudem bieten Forschungseinrichtungen wie das Fraunhofer IML heute schon Unterstützung bei der Konzeptentwicklung und Planung sowie der Pilotierung und technischen Umsetzung von Blockchains an.

Zum Abschluss noch einmal die drei wichtigsten Vorteile der Blockchain für KMU?

Das sind ganz klar: Effizienzsteigerung von Geschäftsprozessen, Steigerung von Transparenz und Vertrauen, Kostenreduktion.

Vielen Dank für das Gespräch!


Info.

Der Digital Hub Logistics bietet im Rahmen des ATLAS-Projektes Seminare oder Webinare mit Nils Saorski zum Thema Blockchain an. Interessierte Unternehmen können sich jederzeit an das Projekt oder den Hub wenden.

Zur Person.

Nils Saorski ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Supply Chain Development & Strategy des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik IML. Er ist Experte für Transformation im Automotive-Sektor, die Gestaltung und Planung von Lieferketten im Hinblick auf Resilienz und Nachhaltigkeit sowie die Anwendung digitaler Technologien, u. a. der Blockchain.

Interesse geweckt?

Im Rahmen des ATLAS-Projekts bieten wir individuelle Begleitung von Unternehmen bei Transformationsthemen. Haben Sie Interesse an die unseren kostenfreien Angeboten, dann sprechen Sie uns an. 

Auf dem Foto: Ein gemeinsames Umsetzungsprojekt mit der IG Metall, dem Fraunhofer IML und einem Schmiedebetrieb. 

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